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Die Sprache der Pferde verstehen - Lisa Röckener zeigt in Elmlohe, wie das geht

Bei der 72. Auflage der Elmloher Reitertage stand am Samstagabend die Show von Lisa Röckener im Mittelpunkt, die den Pferdesport in einer ganz anderen Weise darstellte. Wir haben die 28-Jährige zu Hause besucht.

Lisa Röckener mit ihrem Pferd Valoo.

Lisa Röckener mit ihrem Pferd Valoo. Foto: M. Scheer

Mitten im Grünen liegt ein Einfamilienhaus - mit einem Badeteich, Schafen, Hühnern und angrenzendem, offenem Pferdestall. Der Traum eines jeden kleinen Mädchens. Für Lisa Röckener ist es Realität und sie macht ihre Leidenschaft zum Beruf.

Begonnen hat ihre Reise dorthin 2013. Lisa Röckener ist mit Pferden aufgewachsen, ihr Vater und mittlerweile auch ihr Bruder sind Hufschmied. „Ich saß früher auf dem Pferd, als dass ich laufen konnte. Meine erste Führzügelklasse bin ich mit zweieinhalb Jahren geritten. Das ist heute gar nicht mehr erlaubt“, berichtet sie bei einem Hof-Besuch der NORDSEE-ZEITUNG. Sie war ehrgeizig, ritt Vielseitigkeit und gehörte sogar dem Perspektivkader an. Sie hatte die EM im Visier. Doch dann veränderte ein Reitunfall ihr Leben.

Nur einige Hundert Meter vom Haus entfernt wollte sie damals im Training mit ihrem Humphrey, der mittlerweile seit zwei Jahren aufgrund von Atemproblemen auf einer Weide in Sahlenburg steht, über ein feststehendes Geländehindernis springen. Aber irgendetwas läuft schief. Es kommt zu einem Rotationssturz. „Er ist irgendwie mit dem vorderen Huf hängen geblieben am festen Hindernis. Ich trug eine Airbag-Weste und auch Humphrey war so geschützt, wie es sein sollte“, erinnert sich Lisa, während sie aus dem Wohnzimmerfenster der Röckeners schaut.

So trainieren Lisa Röckener und Valoo

Pferde-Influencerin und Showreiterin Lisa Röckener und ihr Wallach Valoo trainieren. Zwischen Mensch und Tier besteht hier blindes Vertrauen.

Glück im Unglück bei schwerem Sturz

Bei solchen Stürzen sind schon Vielseitigkeitsreiter gestorben. Das Pferd überschlägt sich und kann auf den Reiter fallen. Auch Humphrey, mehr als 600 Kilogramm schwer, stürzte auf Lisa Röckener. „Ich hatte etliche Prellungen, zudem ist das linke Schlüsselbein gebrochen. Und nach der ersten OP bin ich erst nicht richtig wach geworden“, gewährt die junge Showreiterin einen Einblick in ihre Vergangenheit. „Es war keine schöne Zeit, aber ich hatte noch Glück im Unglück. Es ist alles verheilt. Allerdings war das Vertrauen weg.“

Eine Angst, die sie zunächst nicht loswurde und die sich auf ihr Pferd übertrug. Lisa Röckener pausiert und wendet sich vom Turniersport ab. Sie beginnt ihr Lehramtsstudium der Fächer Sport und Chemie, kümmert sich aber nach wie vor um ihre Pferde. Dann reifte in ihr der Entschluss, mit einem neuen Pferd alles besser zu machen.

Fünf Pferde stehen direkt am Haus in einem Offenstall: Pony Cody, Nachwuchspferd Jack, Valoo und die Showpferde von Bruder Matthes - Dealer und Voody.

Fünf Pferde stehen direkt am Haus in einem Offenstall: Pony Cody, Nachwuchspferd Jack, Valoo und die Showpferde von Bruder Matthes - Dealer und Voody. Foto: M. Scheer

Einige Monate später zog der damals dreijährige Valoo auf dem Hof Röckener ein. Eigentlich für ihren Bruders Matthes, doch es war Liebe auf den ersten Blick. Und der Beginn einer neuen Zeitrechnung. Mit der Angst im Rücken und dem jungen Alter des Pferdes setzte Lisa Röckener zunächst auf Freiarbeit. Und mit jedem Training wuchs das Vertrauen zwischen ihr und ihrem neuen Pferd. Heute geben sie sich gegenseitig 100-prozentiges, blindes Vertrauen in ihrer Partnerschaft.

Viele Rückschritte, aber Arbeit zahlt sich aus

„Er war echt frech und ich habe es einfach mal mit der Bodenarbeit ausprobiert. Es war aber nie so, dass ich mir gesagt habe: Ich werde jetzt Showreiterin. Das war nie mein Ziel, das hat sich einfach so verselbstständigt“, sagt Lisa Röckener. „Es hat mir einfach viel gebracht in der Zusammenarbeit mit dem Pferd. Er ist aber auch ganz klassisch ausgebildet in Dressur, Springen und Vielseitigkeit. Wir sind auch die Qualifikation für das Bundeschampionat geritten. Aber ich habe mir da keinen Druck mehr gemacht. Es ging mir nur noch um den Spaß und nicht Erfolge - und die Bodenarbeit hat mir einfach unheimlich viel Spaß gebracht. Daher habe ich es immer alles kombiniert.“

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Valoo und ich waren unsere gegenseitigen Lehrmeister. Ich versuchte, seine Sprache zu verstehen. Habe ihn oft stundenlang einfach beobachtet.

Lisa Röckener

Die Freiarbeit hat sie sich größtenteils selbst beigebracht - durch simples ausprobieren. „Valoo und ich waren unsere gegenseitigen Lehrmeister. Ich versuchte, seine Sprache zu verstehen. Habe ihn oft stundenlang einfach beobachtet. Anfangs war es nicht immer einfach und wir mussten viele Rückschritte auf diesem Weg in Kauf nehmen. Doch die Arbeit zahlte sich aus“, so die 28-Jjährige.

Die Grundkommunikation muss stimmen

Doch wie bringt man einem Pferd bei, sich beispielsweise auf Kommando hinzulegen? So wie bei unserem Besuch, bei dem Valoo seinen Kopf vertrauensvoll in den Schoß seiner Besitzerin legt - und die Kuscheleinheit genießt. „Das ist so ziemlich das Letzte, was wir gelernt haben, als das Vertrauen wirklich schon komplett da war. Wenn die Grundkommunikation stimmt, kann man es ihnen schon relativ gut beibringen und es ist einfach ein ausprobieren. Ich mache auch in jungen Jahren schon mit allen ein Schrecktraining wie das Laufen über Planen“, betont Lisa Röckener.

2016 nahm sie mit Valoo einfach mal an einem Talentwettbewerb bei der Baltic Horse Show teil - und gewann direkt. Seitdem treten sie bei vielen großen Shows auf. Sie springen gemeinsam Seil und begeistern das Publikum. Halsringreiten und viel Freiarbeit stehen im Vordergrund. Zu den Höhepunkten zählen bislang die Shows auf der Messe Equitana und bei der Global Champions Tour in Prag - und jüngst beim CHIO in Aachen.

Lisa Röckener bei einem Show-Auftritt in Prag.

Lisa Röckener bei einem Show-Auftritt in Prag. Foto: ZUMA Wire/imago images

Nebenbei reitet sie aber bis heute auch immer noch Turniere - aktuell bis Klasse M. Das sorgt für einen strammen Zeitplan. Denn nebenbei dreht Lisa Röckener auch noch für ihren Instagram-Kanal, für die Vox-Sendung Hund-Katze-Maus und hat bereits drei Bücher herausgebracht. Vor einem Jahr hat die studierte Lehrerin diesen Job daher an den Nagel gehängt und konzentriert sich auf ihre Leidenschaft. Denn mit dem vierjährigen Jack steht der nächste Nachwuchs in den Startlöchern.

Kein Tag ist wie der andere

„Bei mir ist kein Tag wie der andere. Ich stehe so um sechs Uhr auf und gehe erst mal ins Büro oder mache ein bisschen Sport, dann fahr ich spätestens so um acht zum Hof. Denn mittlerweile habe ich mir in der Nähe eine eigene kleine Wohnung genommen. Dann wird gefüttert und gemistet und dann gebe ich entweder Unterricht in der Freiarbeit oder kümmere mich um die eigenen und die Berittpferde. Wir haben ja auch immer welche zur Ausbildung hier“, so Röckener. Aktuell stehen 14 Pferde auf dem Hof. Erst danach kommt sie dazu, ihre Beiträge für ihren Instagram-Account fertigzumachen. So geht ein Tag gerne mal bis 22 oder 2 Uhr, denn auch die Hunde Momba und Kluntje wollen bespaßt werden, haben ebenfalls Tricks gelernt.

Das Anwesen der Familie Röckener mitten im Grünen in Kettenkamp. Vorne lebt die Familie, im hinteren Teil befindet sich der Offenstall.

Das Anwesen der Familie Röckener mitten im Grünen in Kettenkamp. Vorne lebt die Familie, im hinteren Teil befindet sich der Offenstall. Foto: M. Scheer

Ein strammes Programm, aber die Pferdenärrin möchte es nicht missen - der Erfolg gibt ihr recht. Und von ihrer Freiarbeit und dem bedingungslosen Vertrauen zu ihrem Valoo können sich in diesem Jahr auch die Besucher der Elmloher Reitertage überzeugen und inspirieren lassen. „Das Pferd ist dein Sportpartner und nicht dein Sportgerät. So sollte auch dein Pferd Spaß an der täglichen Arbeit haben und mit Neugier und Lebensfreude dabei sein. Hast du dein Pferd einmal auf deiner Seite, so wirst du noch mehr Spaß an der Arbeit haben, auch wenn du Leistung von ihm verlangst“, erklärt sie.

Mareike Scheer

Reporterin

Mareike Scheer ist gebürtige Bremerhavenerin und hat an der Deutschen Sporthochschule in Köln Sportwissenschaften mit Schwerpunkt Medien und Kommunikation studiert. Seit Juli 2019 arbeitet sie in der Sportredaktion der NORDSEE-ZEITUNG und ist Expertin für Eishockey und Reitsport.

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