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Ein langer Weg zum Gasausstieg: Nachfrage bleibt hoch

Das Heizen mit Erdgas wird es noch eine längere Zeit geben, schätzen die beiden regionalen Energieversorger EWE und SWB. So verzeichnen beide Versorger trotz steigender Preise immer noch Kundenzuwächse. Gleichwohl arbeiten sie an alternativen Möglichkeiten zum Erdgas.

Die Aufnahme vom 15.05.2013 zeigt die neue Anlage des Erdgasspeichers im ostfriesischen Jemgum (Niedersachsen)

Der EWE-Erdgasspeicher im ostfriesischen Jemgum. EWE und SWB wollen die Gasversorgung auch weiterhin sicherstellen. Foto: picture alliance / dpa


„Zurzeit verzeichnen wir mehr Neuzugänge als Kündigungen“, sagt SWB-Sprecherin Angela Dittmer. „Ein gewisses Kommen und Gehen von Kundinnen und Kunden Monat für Monat kennen wir.“ Das sei normal bei Preisänderungen. Und auch Volker Diebels, Sprecher von EWE, bestätigt: „Auch weiterhin verzeichnet EWE Kundenzugänge und kaum Kundenverluste.“ Grund dafür ist, dass beide Gesellschaften Grundversorger sind: die SWB im Land Bremen und die EWE unter anderem im Cuxland. „In dieser Rolle haben wir viele Kundinnen und Kunden von insolventen Versorgern aufgefangen“, sagt Diebels.

Das allerdings hat dazu geführt, dass beide Versorger mehr Gas einkaufen müssen, um die zusätzlichen Kunden versorgen zu können – zu hohen Preisen. „Dies müssen wir in unseren Preisen berücksichtigen“, meint Diebels. Und die SWB schließt derzeit nur noch Grundversorgungsverträge ab. Alternative Angebote zur Grundversorgung und Produktwechsel bei bestehenden Verträgen konnten derzeit nicht realisiert werden, bedauert Dittmer.

Alternative Gase

Doch auch wenn die Nachfrage nach Gas noch hoch ist, machen sich die Versorger schon Gedanken um zukünftige Möglichkeiten – beispielsweise die Einspeisung alternativer Gase in das Leitungsnetz. Dabei sehen sowohl EWE als auch SWB jedoch Wasserstoff beim Heizen nicht als Alternative zum Erdgas. „Wasserstoff ermöglicht die Dekarbonisierung zahlreicher industrieller Prozesse, also die Reduzierung von Kohlendioxidemissionen. Zur Wärmeversorgung im privaten Bereich bietet sich die Technologie noch nicht an“, betont SWB-Sprecherin Dittmer. Das sieht man auch bei der EWE so: Wasserstoff werde vor allem in Industrie und Schwerlastverkehr eine große Rolle spielen, ist Diebels überzeugt. Im Land Bremen arbeiten SWB und EWE zusammen mit Arcelor-Mittal und dem Land am Aufbau einer Wasserstofferzeugung.

EWE hält indes auch den Einsatz von Biogas für möglich. „Wir bereiten unsere Netze schon heute für die Aufnahme von klimaneutralen Gasen vor“, bestätigt Diebels.

Doch wollen die Bürger überhaupt weiterhin mit Erdgas heizen? „Zurzeit interessieren sich sehr viele Menschen für Alternativen zu der Versorgung mit Erdgas“, berichtet Dittmer. Ein Umstand, den SWB und EWE unterstützen wollen. Eines ist aber klar: „Sanierung und Umstellung auf alternative Technologien in Bestandsgebäuden werden noch viele Jahre dauern. Deshalb wird konventionelles Erdgas im Gebäudebestand auch noch viele Jahre eine Rolle spielen“, ist Diebels von der EWE überzeugt. Deswegen sei es die Aufgabe, die Gasinfrastruktur weiterhin aufrecht zu erhalten, solange Kunden mit Gas heizten, ergänzt Dittmer.

Ausgangslage ist wichtig

Die SWB-Sprecherin weiß: „Eine große Rolle beim Umstieg spielt in jedem Falle auch die individuelle Ausgangslage in jedem einzelnen Gebäude (Alter, Bauart, Adresse).“ So lasse sich beispielsweise nicht in jedem Haus eine Wärmepumpe sinnvoll installieren. Die SWB schaut aber auch noch auf eine weitere Möglichkeit: „Einer unserer Schwerpunkte ist der Ausbau der Fernwärmeversorgung im Schulterschluss mit den Kommunen“, erzählt Dittmer.

Eine Möglichkeit, die auch die EWE sieht – allerdings hauptsächlich in Neubaugebieten. Dort beobachte man seit Jahren einen Trend vor allem zur Wärmepumpe, sagt Diebels: „Deshalb werden wir unsere Infrastruktur in Neubaugebieten zukünftig vorwiegend auf strombasierte Lösungen wie Wärmepumpen oder kalte und mittelwarme Nahwärmenetze ausrichten. In Neubaugebieten wird es ab nächstem Jahr nur noch in Ausnahmefällen eine Erdgasinfrastruktur geben“, kündigt der EWE-Sprecher an.

Doch beide Versorger haben auch noch eine andere Kundengruppe: die sogenannten Wärme-Plus-Kunden. Diese haben in Verträgen den Kauf von Wärme stehen und haben in diesem Rahmen ohne eigene Investitionskosten eine Gasbrennheizung bekommen – für die sie monatlich eine Nutzungsgebühr plus Verbrauchskosten zahlen. Inbegriffen sind Wartung, Reparaturen und Schornsteinfeger. Auch diese Kunden habe man im Blick, versichern EWE und SWB.

So bietet die EWE neuerdings bei Wärme Plus die Wahlmöglichkeit zwischen einer Gasbrennwertheizung und einer modernen Wärmepumpe. „Den Fokus legt EWE allerdings auf Luft-Wasser-Wärmepumpen im Paket, das EWE seit Anfang Mai anbietet“, betont Diebels, schränkt aber ein, dass es allgemeingültige Empfehlungen für die Wärmeversorgung von Privathaushalten nicht geben könne. „Je nach der individuellen Situation des Kunden sowie des Gebäudes vor Ort, muss entschieden werden, ob eine Gasbrennwert-Anlage oder eine Wärmepumpe besser geeignet ist.“

Individuelle Beratung

Auf individuelle Beratung vor Ort setzt auch die SWB: „Geht es um einen Neubau oder ein Bestandsgebäude, Eigentum oder Miete, liegt bereits eine Fernwärmeleitung in der Straße, wird Warmwasser derzeit mit Strom oder Erdgas bereitet, wie groß ist das zur Verfügung stehende Budget? Im Gespräch werden Vor- und Nachteile der vor Ort technisch realisierbaren Möglichkeiten erläutert“, betont Dittmer.

Christoph Bohn

stellv. Redaktionsleiter SONNTAGSjOURNAL

Christoph Bohn (Jahrgang 1968) ist in Bremerhaven geboren und im Cuxland aufgewachsen. Er hat in Bremen Wirtschaftswissenschaft und Politik studiert und ist Diplom-Ökonom. Nachdem er zweieinhalb Jahre als Controller beim Hanstadt Bremischen Hafenamt gearbeitet und nebenbei schon frei als  Journalist für die NORDSEE-ZEITUNG gearbeitet hatte, entschloss er sich zu einem Volontariat (1998-2000). Danach fing er als Redakteur beim SONNTAGSjOURNAL an (Schwerpunkte: Wirtschaft und Landkreis Cuxhaven).

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