Meinung & Analyse Gegenwind

Disney zerstört unsere Vorstellungen von Beziehungen

Von übertriebenen Happy Endings in toxischen Beziehungen bis zu sexuellen Übergriffen Minderjähriger: Märchen und Hollywoodfilme servieren uns einen giftigen Liebescocktail - und wir schlucken ihn begierig.

Logo der Kolumne "GegenWind".

Hollywood-RomComs und Disneyfilme vermitteln eine falsche Botschaft, was Liebe ist und wie eine Beziehung aussehen muss. Die Kolumne „GegenWind“ beschäftigt sich in dieser Ausgabe mit dieser Problematik. Foto: NZ-Grafik

Lasst uns mal die rosa-rote Brille absetzen und über die wahren Botschaften hinter den sogenannten romantischen Komödien und verlogenen Liebesmärchen sprechen. Denn was da oft als ultimatives Liebesideal verkauft wird, ist in Wahrheit nichts weiter als ein Paradebeispiel für toxische Beziehungen mit einem absurden Happy End.

Schauen wir uns doch mal das ikonische Duo Bella und Edward aus Twilight an. Ein Vampir, der seine Geliebte stalkt und sich nachts in ihr Zimmer schleicht, um sie zu ermorden. Und sie? Sie ist bereit, ihr ganzes Leben für ihn zu opfern. Wenn das die Definition von wahrer Liebe sein soll, wo soll es dann noch hingehen?

Und was ist mit den alten Disney-Filmen, die wir so gerne als romantische Klassiker feiern? Da haben wir Dornröschen, ein minderjähriges Mädchen, das im Schlaf von einem viel älteren Prinzen geküsst wird. Wo bleibt da die Einwilligung? Stichwort: sexuelle Belästigung.

Und Schneewittchen, die gerade einmal 14 Jahre alt ist, wird (wieder) von einem Prinzen geküsst, der sich ausschließlich von ihrer äußeren Schönheit angezogen fühlt, ohne auch nur ein Wort mit ihr gewechselt zu haben. Doch am Ende leben alle glücklich bis ans Lebensende.

„Der Prinz und die Prinzessin leben glücklich bis an ihr Lebensende“

Wir lieben es, uns in die glitzernde Welt der romantischen Filme zu vertiefen, aber die harte Realität sieht oft ganz anders aus. In Wirklichkeit kommen unsere eigenen Liebesgeschichten nicht einmal annähernd an die erfundenen Märchen auf der Leinwand heran. Und was bedeutet überhaupt glücklich bis ans Lebensende? Ist das ein reales Ziel oder nur ein Trick der Filmindustrie, um ihre Kassen zu füllen?

Echte Liebesbeziehungen sind keine Märchen mit Happy Endings, sondern harte Arbeit. Paare sind nicht dauerhaft in einer Verliebtheitsphase. Beziehungen sind voller Höhen und Tiefen, voller Kompromisse und Herausforderungen. Sie erfordern Arbeit, Geduld und vor allem Ehrlichkeit, so Bremerhaven-Paartherapeut Malte Thoma.

Echte Beziehungen leiden im Schatten der Filmromantik

Haben wir durch Filme, Bücher und Serien den Eindruck gewonnen, dass eine Beziehung immer perfekt aussehen muss? Vielleicht. Einige von uns sind so verzaubert von der glänzenden Fassade der Medien, dass sie unrealistische Erwartungen an ihre eigenen Beziehungen haben. Sie sehnen sich danach, dass ihre Liebe genauso makellos ist wie die in den Filmen. Denn wer will nicht im Schlaf ohne Einwilligung geküsst werden?

Dieser Hang zur Perfektion, diese scheinbare Illusion einer idealen Beziehung, hat einen Namen: „Disneyfizierung von Liebe“. Ein Begriff, der vom deutschen Autor Eric Hegemann bereits 1995 geprägt wurde. Aber hier liegt die Gefahr. Diese „Disneyfizierung“ oder Scheinrealität blendet uns. Sie lässt uns vergessen, was es wirklich bedeutet, zu lieben und geliebt zu werden.

Evolutionäre Falle oder chemischer Rausch?

Ist Liebe vielleicht nur eine hinterlistige Falle der Evolution, die uns zur Fortpflanzung drängen will? Oder reagieren wir nur auf den Ausstoß von Endorphinen?

Die Wissenschaft hat schon lange eine Erklärung für die Liebe gefunden: Hormone und Botenstoffe sind dafür verantwortlich, dass wir auf „Wolke 7“ schweben und uns verlieben.

Soziologisch betrachtet sind Menschen soziale Wesen. Menschen sind darauf angewiesen, in Gruppen zu leben. Wer früher alleine war, ist gestorben.

Echte Beziehungen benötigen Höhen und Tiefen

„Die Vielfalt einer echten Beziehung besteht aus drei Komponenten: Sexualität, Verbindlichkeit und Liebesbeziehung“, erklärt Thoma. Auf Dauer kann eine Beziehung nur funktionieren, wenn diese Komponenten ausgeglichen sind.

Aber was, wenn Perfektion nur eine Illusion ist? Was, wenn Liebe keine chemische Reaktion oder ein genetischer Trick sind, sondern eine bewusste Entscheidung für eine Person und das Leben mit ihr? Möchte man wirklich eine Beziehung, wie Edward und Bella haben oder von einem viel älteren Mann, ohne Einverständnis, angefasst werden?

Es geht am Ende des Tages nicht darum, wie makellos unsere Beziehungen außen, sondern darum, wie sehr wir bereit sind, für sie zu kämpfen. Es geht nicht darum, glücklich bis ans Lebensende zu leben, sondern darum, jeden Tag bewusst zu wählen, einander zu lieben und zu unterstützen.

Es ist die echte, authentische Liebe, die uns erfüllt und uns wirklich lebendig macht. Denn wahre Liebe benötigt keine glänzenden Kulissen – sie ist stark genug, um die echten Herausforderungen des Lebens zu meistern.

Laura Künzel

Laura Künzel ist 2000 in der Kleinstadt Eisenach geboren und aufgewachsen. Zum Studium hat es sie nach Erfurt verschlagen. Da sie die Nordseeluft auf ihrer Nase fühlen wollte, ist sie bei der NORDSEE-ZEITUNG gelandet und als Volontärin tätig.

1 Kommentare
Bernhard Jung 21.05.202412:06 Uhr

das ist aber eine Satire , oder ?

Newsletter Der ZZ-Newsletter
Alle wichtigen Nachrichten und die interessantesten Ereignisse aus der Region täglich direkt in Ihr E-Mail-Postfach. Mit Empfehlung aus der Redaktion.
PASSEND ZUM ARTIKEL
nach Oben