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Werbung mit Beigeschmack: Wofür Amazon Millionen ausgibt

Amazon gibt Millionen für Kampagnen aus, die sein Image aufpolieren sollen. Die emotionale Werbung steht in krassem Kontrast zu den Berichten auch von Mitarbeitern aus Bremerhaven. Der Verein LobbyControl kritisiert noch etwas anderes.

"Crime" statt Prime: Greenpeace-Aktivisten hängen während des Black Fridays 2022 ein Transparent mit der Aufschrift «crime» an der Zentrale von Amazon Deutschland in München auf. Amazon steht immer wieder in der Kritik. Darauf reagiert der Konzern mit Image-Werbung.

"Crime" statt Prime: Greenpeace-Aktivisten hängen während des Black Fridays 2022 ein Transparent mit der Aufschrift «crime» an der Zentrale von Amazon Deutschland in München auf. Amazon steht immer wieder in der Kritik. Darauf reagiert der Konzern mit Image-Werbung. Foto: dpa

Amazon leistet sich millionenteure Imagekampagnen: 2021 soll der Konzern dafür Werbung in deutschen Medien im Wert von 8,1 Millionen Euro (Bruttowerbekosten) geschaltet haben*.

Die Werbung erschien vor allem in überregionalen Zeitungen und Magazinen wie Spiegel, Zeit, FAZ oder dem Manager Magazin sowie in mehreren Regionalzeitungen*.

* Woher kommen diese Zahlen?

Die Zahlen beruhen auf Erhebungen von AdVision digital, einem Dienstleister für Werbemarktanalysen. Ausgewertet wurden sie von LobbyControl. Das ist ein gemeinnütziger Verein für Transparenz und Demokratie mit Sitz in Köln, der nach eigenen Angaben über Machtstrukturen und Einflussstrategien in Deutschland und der EU aufklären will.

Dass Amazon für Imagekampagnen tief in die Tasche greift, ist kein Zufall. Damit reagiert das Unternehmen auf die anhaltende öffentliche Kritik. Seit Jahren beschweren sich Arbeitnehmer und Gewerkschaften immer wieder über die Arbeitsbedingungen bei Amazon und bei den Subunternehmen, die für den Konzern arbeiten.

Kurz vor dem Black Friday 2022 hatte die Nordsee-Zeitung zusammen mit dem Recherchenetzwerk Correctiv offengelegt, wie Paketboten bei Subunternehmen von Amazon ausgebeutet werden und wie das System Amazon funktioniert. Die Bremerhavener Kurierfahrer erzählen von unbezahlten Überstunden, Verträgen an der Grenze der Legalität, Überwachung und viel psychischem Druck.

Amazon zeigt traumhafte Arbeitsbedingungen

Der Konzern selbst zeichnet in seinen Anzeigen und Werbefilmen ein ganz anderes Bild: Amazon inszeniert sich als Unternehmen, das gesellschaftliche Verantwortung übernimmt und auch benachteiligten Menschen eine Chance gibt.

Das zeigen vor allem die Motive der Kampagnen „Unsere Teams“ und „Logistikzentrum“, die von Februar bis November 2021 in unterschiedlichen Zeitungen und Magazinen erschienen sind.

Eine Frau mit Kopftuch sagt: „Woanders hatte ich Probleme, akzeptiert zu werden, bei Amazon bin ich Area Managerin.“

Ein Syrer sagt: „Als ich aus Syrien hier ankam, habe ich niemanden verstanden. Ein Flüchtling zu sein, war sehr schwierig, aber jetzt bin ich Instructor bei Amazon.“

Ein Gehörloser sagt: „Bevor ich hier angefangen habe, gab es in meinem Leben nur Ziele für gehörlose Menschen. Aber bei Amazon traut man mir schwierige Aufgaben zu. Gehörlos zu sein, ist nicht immer leicht, aber bei Amazon läuft es gut für mich.“

Diese Botschaften werden auch in zahlreichen Werbespots verbreitet, die seit 2020 online und teilweise im Fernsehen ausgestrahlt wurden:

Gegenüber LobbyControl hat Amazon erklärt, dass die Anzeigen und Spots der breiten Öffentlichkeit einen authentischen Einblick hinter die Kulissen von Amazon geben sollen. Die Berichterstattung von Correctiv (in Zusammenarbeit mit der Nordsee-Zeitung) würde ein "stark verzerrtes Bild der Realität" vermitteln, so der Unternehmenssprecher.

Die Werbung wirkt: Bremerhavener Paketboten warnen

Die Werbebotschaften scheinen ihren Zweck zu erfüllen: Die ehemaligen Paketboten aus Bremerhaven berichten einhellig, dass sie ein positives Bild von Amazon hatten - bis sie selbst Amazon-Fahrer wurden. Angestellt waren sie bei Subunternehmen, die von Amazon mit der Zustellung beauftragt wurden.

„Die Zeit war einfach katastrophal und eigentlich müsste das inzwischen jeder wissen. Ich warne auch andere Leute vor diesem Arbeitgeber. Aber irgendwie schaffen die es immer wieder, den Leuten zu erzählen, dass das nur Vorurteile sind und dass die Arbeitsbedingungen in Wirklichkeit viel besser sind“, sagt ein Ehemaliger. „Das liegt auch an der Werbung, die man überall sieht.“

Der gemeinnützige Verein LobbyControl kritisiert nicht nur die Diskrepanz zwischen Darstellung und Realität, sondern vor allem, dass diese Werbung nicht als Lobbyarbeit bewertet und gekennzeichnet wird.

Die Angaben im gesetzlich vorgeschriebenen Lobbyregister besagen, dass Amazon in Deutschland 2021 rund 1,2 Millionen Euro für direkte Lobbyarbeit ausgegeben hat. Doch Ausgaben für Imagekampagnen werden im Lobbyregister nicht erfasst.

Indirekte Lobbyarbeit: Wie Amazon die Öffentlichkeit beeinflusst

Die Werbung, die Amazon 2021 für 8,1 Millionen Euro geschaltet hat, bewertet LobbyControl als indirekte Lobbyarbeit. Bei den Anzeigen und Werbefilmen handele es sich nämlich nicht um Produktwerbung, sondern um eine Imagekampagne, die ein positives Bild des Unternehmens in die Welt senden soll - und das kann auch Einfluss auf die Politik haben.

Wie das funktioniert, erklärt Felix Duffy von LobbyControl: "Mit einem positiven Image und Zustimmung in der Bevölkerung lässt sich die Politik einfacher für die eigenen Belange einspannen. Gleichzeitig sollen Politik und Öffentlichkeit überzeugt werden, dass es im Hinblick auf die Arbeitsbedingungen keinen Handlungsbedarf gibt. Solche Imagekampagnen sind daher durchaus als Teil der Lobbystrategie des Unternehmens zu werten."

In der EU wird derzeit über bessere Regeln für bezahlte politische Werbung diskutiert. LobbyControl fordert daher die zuständigen deutschen Ministerien auf, sich in diesen Verhandlungen für mehr Transparenz einzusetzen. „Die millionenschwere Imagekampagne von Amazon zeigt, wie dringend das ist“, so der Verein.

* In der Nordsee-Zeitung wurde keine Imagewerbung von Amazon veröffentlicht. Seit Mitte 2022 erscheinen im Sonntagsjournal der Nordsee-Zeitung und der Zevener Zeitung Stellenanzeigen von Amazon.

Luise Maria Langen

Reporterin

Luise Langen arbeitet seit 2020 als Reporterin für die NORDSEE-ZEITUNG. Von guten Geschichten war die gebürtige Berlinerin aber schon immer begeistert – auch während ihres Germanistik-Studiums in Österreich und der Zeit als Regieassistentin am Stadttheater Bremerhaven.

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