Moin

Herr Lichters Schnurrbart, ein alter Schinken und mein kleines fossiles Handy

Jetzt reißen sie sich drum. Aus dem verächtlichen Lächeln übers Fossil ist begehrliches Augenfunkeln geworden. Aber mein bestes Stück ist unveräußerlich.

NZ-Redakteurin Susanne Schwan liebt Nostalgie und alles, was noch mechanisch funktioniert.

„Damit sollteste unbedingt mal zu Horst Lichter!“ Ich verzichte. Aber sag Danke für das Bewundern meines „Schätzchens“. Bares für Rares hätte ich lieber für meine geerbte 250 Jahre alte abgehängte Hängevitrine aus schwarzbrauner, frühbarocker Eiche. Oder das noch ältere, unsignierte, niederländische Ölporträt eines greisen Heiligen - feinste Malkunst, sagt die Kunsthalle, will es aber nicht haben. Bloß mein kleines feines Fossil Baujahr 2003 lässt allerlei Augen begehrlich funkeln. Aber das geb ich nicht aus der Hand. Nie. „Wollen Sie’s loswerden? Im Internet wird das ab 1.000 Euro gehandelt...“, wollte mir neulich wer mein geliebtes Nokia abschwatzen. No, Sir. Dies gerundete, schmale, verkratzte, zugeklebte Erbstück ist unveräußerlich. Es kann nichts, außer telefonieren. Und simsen. Es gibt nicht mal den Namen dessen an, der anruft oder simst - ich seh bloß die Nummer. Eine von 60 eingespeicherten. Immer, wenn wer meint, mich ohne Absender anmorsen zu müssen, tappe ich im Dunkeln, wer sich hinter der 01...sowieso verbirgt. Sei’s drum. Es ist ein Stück meines Lebens, es hat meine Ma und mich lange Zeit verbunden, es war ihr mobiler Rettungsanker und ist nun meiner, passt in jedes Täschchen, schmiegt sich rund und gemütlich in meine Hand und hat noch echte, knubbelige Tasten, konkrete, zum Drücken. Damit kann nicht mal der Charme von Herrn Lichters wilhelminischem Schnurrbart konkurrieren. Und damit - Basta.

Das olle Nokia-Handy Baujahr 2003 kann zwar nichts außer telefonieren und simsen, aber es ist robust, langlebig, damit klimafreundlich, liegt schmiegsam in der Hand und ist ein echter musealer Hingucker.

Die Fangemeinde wächst: Das olle Nokia-Handy Baujahr 2003 kann zwar nichts außer telefonieren und simsen, aber es ist robust, langlebig, damit klimafreundlich, liegt schmiegsam in der Hand und ist ein echter musealer Hingucker. Foto: Schwan

Susanne Schwan

Reporterin

Die gebürtige Düsseldorferin studierte an der Musikhochschule und war 12 Jahre Theaterschauspielerin. Nach Rundfunk-Ausbildung und Volontariat bei der NORDSEE-ZEITUNG ab 1999 leidenschaftliche Menschen- und Geschichtensammlerin. Nebenbei noch Auftritte mit Literaturprogrammen.

0 Kommentare
Newsletter Der ZZ-Newsletter
Alle wichtigen Nachrichten und die interessantesten Ereignisse aus der Region täglich direkt in Ihr E-Mail-Postfach. Mit Empfehlung aus der Redaktion.
PASSEND ZUM ARTIKEL
nach Oben