Moin

Von Liebe, Trauer, Zeitgeschehen, Möwen und Bildern zum Dran-Festhalten

Leicht gesagt: „Nimm das Schwere und verwandle es in Leichtes“. Aber es geht: Nicht zu resignieren und die Farben des Lebens im Dunkel leuchten zu sehen.

NZ-Redakteurin Susanne Schwan

„Heiterkeit heißt nicht, das Ernste, Dunkle auszublenden, sondern Schweres hier und da in Leichtes zu verwandeln.“ So sinngemäß schreiben das dichtende, nachdenkliche, menschenliebende Zeitgeister. In dieser Ära umwälzenden, lastenden Zeitgeschehens ein kostbares Gedanken-Geländer zum Dran-Festhalten. Es gibt auch welche für die Augen. Neulich erzählte ich von dem kleinen regenbogenfarbenen Mosaik im trostlos grauen Gehweg. Eine blau geflügelte Möwe, die über Backsteinmauern in den Himmel schwebt. Zufallsfund beim Termin. Ich hab gerätselt, wer die wann dorthin „gemalt“ hat. Die Antwort kam nun, am Telefon. Rita K., sie lebt im Scharnhorst-Quartier, hat mir ihre anrührende Geschichte erzählt: Es ist zehn Jahre her. Im August 2014 starb ihr Mann. Gemeinsam hatten sie noch überlegt, bei einem Kunstprojekt des Diakonie-Nachbarschaftstreffens mitzumachen. Als ihr Kurt ging, hat sie alle Lebensfreude verloren. „Die Nachbarn haben mich gebeten, trotzdem das Mosaik für Kurt zu machen. Andere Leute haben auch welche gebaut, im ganzen Viertel verteilt sind noch mehr Bilder vor Haustüren und Fahrradständern.“ Und so hat Rita mit handwerklicher Hilfe das kleine bunte Bild ins Straßengrau gezaubert. „Die Möwe ist mein Mann, der sich in den hellen Himmel schwingt.“ Es ist ein kleines Wort am Telefon, das auch zum Festhalte-Geländer wird: Trotzdem. Wenn Sie mich demnächst - Nase unten - durch die Scharnhorststraße schleichen sehen: Ich suche nach bunten Fenstern im grauen Boden.

Es leuchtet im tristen aschgrauen Gehwegpflaster: Das farbensprühende Mosaik im Bremerhavener Scharnhorst-Viertel hat eine Anwohnerin im Gedenken an ihren geliebten Mann dort in den Boden eingebaut.

Es leuchtet im tristen aschgrauen Gehwegpflaster: Das farbensprühende Mosaik im Bremerhavener Scharnhorst-Viertel hat eine Anwohnerin im Gedenken an ihren geliebten Mann dort in den Boden eingebaut. Foto: Schwan

Susanne Schwan

Reporterin

Die gebürtige Düsseldorferin studierte an der Musikhochschule und war 12 Jahre Theaterschauspielerin. Nach Rundfunk-Ausbildung und Volontariat bei der NORDSEE-ZEITUNG ab 1999 leidenschaftliche Menschen- und Geschichtensammlerin. Nebenbei noch Auftritte mit Literaturprogrammen.

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