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Schmökertipps: Von Abenteuern und Romanzen

Schlips, Oberhemd, Socken – die drei berüchtigten Klassiker unter dem Tannenbaum. Von Schenkenden häufig mantramäßig aufgesagt, wenn es um die Frage danach geht, was in diesem Jahr kredenzt werden soll. Ebenfalls ein Weihnachtsgeschenke-Klassiker, dafür aber gespickt mit atemberaubenden Abenteuern, herzerweichenden Romanzen oder spannenden Sachberichten: Bücher. Vier Inhaber Bremerhavener Buchgeschäfte verraten ihre ganz persönlichen Schmökergeheimtipps für das Fest.

Ein Buchhändler hält ein Buch in der Hand.

Buchhändler Jens Fleischer schwört auf Matthias Nawrats feinfühligen und dennoch erbarmungslosen Roadtrip in „Reise nach Maine". Foto: Lammers


Eine „Reise nach Maine“ (Matthias Nawrat, Rowohlt, 22 Euro) legt Jens Fleischer, Inhaber der Buchhandlung Hübener, Schenkenden ans Herz: „Ein namenloser Ich-Erzähler und dessen Mutter, beide leben nicht mehr am selben Ort, erfüllen sich den Wunsch eines gemeinsamen Kurzurlaubs und fliegen von Deutschland nach New York, um in der Metropole endlich Zeit füreinander zu haben und anschließend ein paar Tage getrennt durchs Land zu reisen“, erzählt Fleischer vom Inhalt seines aktuellen Lieblingsbuches.

„Der anfängliche Einklang wird jedoch sofort pulverisiert, als sich die Mutter eine Kopfverletzung zuzieht und die erste Sightseeingtour durch verschiedene Krankenhäuser Brooklyns führt“, erzählt Fleischer weiter. Die Reisepläne der Protagonisten würden zusammengeführt, und der Roman entfalte seine subtile Komik. „Per Mietwagen starten sie von New York nach Maine, doch die Kartografie malerischer Sehnsuchtsorte reißt immer wieder auf, und darunter brodeln die Konflikte. Beinahe so, als versuche uns die Oberfläche dieses Textes in die Irre vermeintlicher Harmonie zu führen, während unter einem doppelten Boden böse Überraschungen lauern.“ Das Buch sei ein feinfühliger und dennoch erbarmungsloser Roadtrip durch das Innere einer Mutter-Sohn-Beziehung und durch ein Stück amerikanischer Wirklichkeit: „Unkonventionell erzählt und an keiner Stelle langweilig“, so Fleischer.

Sein Kollege, Gregor Schlag, Inhaber der Buchhandlung Morisse, setzt als Weihnachtsgeschenke-Tipp insbesondere auf „Nerds retten die Welt“ (Kiepenheuer & Witsch, 23 Euro) von Sibylle Berg: „Ein sehr unterhaltsames Buch, das vor unangenehmen Fragen nicht zurückschreckt und Menschen zu Wort kommen lässt, die sich intensiv mit dem jeweiligen Thema beschäftigen. Überaus unterhaltsam und an vielen Stellen beeindruckend lehrreich.“ Wer gerne dazulerne und bereit sei, sich auch selbst mal infrage zu stellen, sei hier genau richtig, findet er.

Leser wächst mit dem Autor

Mausbuch-Chefin Nicole Steffens empfiehlt Schenkenden das Buch „Hell strahlt die Dunkelheit“ (Kiepenheuer & Witsch, 23 Euro) von Ethan Hawke: „Man kennt Ethan Hawke als Schauspieler; dieses ist nicht sein erster Roman“, schickt Steffens vorweg und berichtet vom Plot des Buches: Protagonist ist ein erfolgreicher Hollywood-Schauspieler, dessen Ehe mit einem Rockstar gerade zerbricht. „Er hat sie betrogen, sie will die Scheidung, zwei kleine Kinder sind im Spiel. Er hadert – mit sich, mit der Situation, mit der Welt. Er zerbricht fast daran“, erzählt Steffens. Sein neues Engagement sei eine willkommene Abwechslung und gleichzeitig Neuland für ihn: Er spielt Hotspur in Shakespeares „König Heinrich IV“ am Broadway, als einziger Filmschauspieler im gesamten Ensemble.

„Das Stück fordert ihm mehr ab, als er annahm. Er wächst in seine Rolle und der Leser mit ihm in den Roman“, berichtet die Buchhändlerin über die Roman-Handlung. Die Leser begleiteten den Protagonisten von den Proben über die Vorpremiere, durch dramatische Entwicklungen während der Spielzeit bis hin zur letzten Vorstellung. „Und sind dann ein wenig traurig, dass wir Abschied nehmen müssen von einer Figur, die ihr Leben auf den Kopf gestellt sah und für die nicht alles wieder gut ist. Aber vielleicht etwas besser.“

Anne von Bestenbostel, Inhaberin der Buchhandlung Memminger, ist ganz begeistert von „Räuber“: „Das neue Buch von Eva Ladipo ist eine Mischung aus Krimi und Roman. Und beim Lesen erfährt man eine Menge über den Berliner Wohnungsmarkt“, sagt sie. In dem Buch geht es um die Frage: Wem gehört die Stadt? „Als die Sozialwohnung verkauft wird, in der er mit seiner Mutter lebt, weiß Olli Leber, was das zu bedeuten hat: Menschen wie er haben kein Recht mehr auf ein Leben im Zentrum Berlins. Doch der junge Bauarbeiter hat seiner Mutter versprochen, dass sie nicht umziehen müssen. Und so versucht er, das Haus zu retten.“ In Amelie Warlimont findet Olli eine unverhoffte Mitstreiterin, denn die bekannte Journalistin hat alte Rechnungen zu begleichen und ihre eigenen Gründe, sich von der Stadt verraten zu fühlen.

Kampf um Gerechtigkeit

„Gemeinsam ziehen die beiden in einen Kampf um Gerechtigkeit. Ein Kampf, der immer mehr außer Kontrolle gerät“, beschreibt von Bestenbostel ihren Lesefavoriten und sagt: „Die Deutsche Eva Ladipo lebt als Wirtschaftsjournalistin in London und schreibt sehr schlaue und sehr gut recherchierte Krimis. Ich empfehle ,Räuber‘ sowohl Männern als auch Frauen, die sich gut unterhalten und dabei noch Neues erfahren wollen. Räuber macht sich sehr gut unter dem Weihnachtsbaum.“

Andrea Lammers

Reporterin

Andrea Lammers (Jahrgang 1968) ist in Bremerhaven geboren und aufgewachsen. In Bremen hat sie Rechtswissenschaften studiert. Das Jonglieren mit Buchstaben erschien ihr jedoch erheblich spannender als das mit Paragrafen. Deswegen volontierte sie bei der NORDSEE-ZEITUNG. Seit 1999 arbeitet sie als Redakteurin beim SONNTAGSjOURNAL.

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