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Dieses Paar überwindet für seinen Lebenstraum vom Cuxhavener Wasserturm jede Hürde

Vor sechs Jahren haben die Caboussats aus der Schweiz den Cuxhavener Wasserturm gekauft. Sie wollen den Turm sanieren und ein Café sowie Ferienwohnungen darin einrichten. Ein Traum mit vielen Hindernissen. Doch das Paar kämpft - auch gegen Vorurteile.

Cuxhaven Wasserturm Schweizer Mirabelle und Alain Caboussat

Kurze Pause: Während eine Fachfirma die neue Tür zum Wasserturm von Alain und Mirabelle Caboussat einbaut, gönnt sich das Schweizer Paar eine kurze Pause. Foto: Heike Leuschner

Kreissägen kreischen. So laut, dass Mirabelle und Alain Caboussat auf der Baustelle im Cuxhavener Wasserturm ihr eigenes Wort nicht verstehen. Mirabelle Caboussat lacht in den Lärm hinein. „Das ist ein gutes Zeichen, wir kommen endlich voran.“

Cuxhaven Wasserturm Schweizer Mirabelle und Alain Caboussat

Blick ins künftige Café: Behutsam und mit einem feinen Gespür für Stil haben die Caboussats die alte Bausubstanz des 126 Jahre alten Wasserturmes freigelegt. Foto: Heike Leuschner

Während oben maßangefertigte Einbauschränke und Küchen in die schmaler werdenden Turmwände eingepasst werden, baut eine Fachfirma im Erdgeschoss die neue Außentür ein. Alain Caboussat hält den Moment mit der Handykamera fest: „Das fühlt sich wie eine Hochzeit an.“

Bei Planung und Sanierung jagt ein Problem das nächste

Eigentlich wollte das Schweizer Paar seinen Wasserturm mit Café im Erdgeschoss und drei Ferienwohnungen darüber bereits 2022 eröffnen - pünktlich zum 125. Turmgeburtstag. Doch die Bauherren sind seit dem Kauf einer der schönsten historischen Immobilien, die es in Cuxhaven gibt, immer wieder auf Probleme und Hindernisse gestoßen.

Cuxhaven Wasserturm Schweizer Mirabelle und Alain Caboussat

Der Wasserturm an der Bahnhofstraße in Cuxhaven misst 48 Meter. Drinnen befinden sich neben den technischen Anlagen auch vier runde Wohnungen (40 bis 55 Quadratmeter), die einst von Betriebsangehörigen des Versorgungsunternehmens bewohnt wurden. Foto: Heike Leuschner

„Ganz am Anfang haben wir mit anderthalb Jahren Planungszeit und anderthalb Jahren Bauzeit gerechnet“, erinnert sich Mirabelle Caboussat, die den Turm mit ihrem Mann 2017 erworben hatte und ein knappes Jahr später mit ihrem Partner und den damals noch minderjährigen beiden Söhnen nach Cuxhaven kam. Doch dann jagte ein Problem das nächste.

Zuerst mussten sich die Caboussats von ihren spektakulären Café-Plänen im stählernen Wassertank hoch oben im 48 Meter hohen Turm verabschieden. Weil die Leiter der Feuerwehr nicht bis dorthin gereicht hätte, sollten sie rund eine Million Euro allein in Brandschutzauflagen investieren.

Im Alleingang Bausünden von Jahrzehnten entfernt

Das Paar plante um: das Café ins Erdgeschoss und in die darüberliegenden drei Etagen je eine Ferienwohnung. Zwischen Planung und Behördengesprächen befreite Alain Caboussat, gelernter Sanitärinstallateur und Diplom-Ingenieur, die Innenwände des Wasserturms auf allen vier Wohnebenen im Alleingang von Tapeten und Styropor, Gipskarton und Putz.

Dann kam Corona. Die Bauherren mussten mehr Zeit einplanen. Mitte 2022 sollte nun alles fertig sein. Doch dann sorgte der Krieg gegen die Ukraine für Lieferprobleme in vielen Branchen. Auch die Schweizer spürten das: „Die Lieferung einer Spülmaschine dauerte nun nicht ein paar Wochen, sondern ein Jahr - weil ein Chip fehlte.“ Dazu Handwerkermangel und eine Explosion bei nahezu allen Kosten, inklusive den Energiepreisen.

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Die Leute denken, du bist Schweizer und hast per se immer Geld. Doch die Realität ist anders.

Alain und Mirabelle Caboussat, Besitzer des Wasserturms in Cuxhaven

Ein Gutteil der Arbeit ist da schon erledigt: Mehr als 1.000 marode Ziegelsteine haben sie in der äußeren Backsteinfassade austauschen lassen, Schäden an den Metallbändern des Wassertanks beseitigt, Blitzschutz angebracht, Brandschutzanlagen installiert und Dachgauben saniert. In den Obergeschossen wurden Trockenbauwände für die neuen Bäder und Brandschutzdecken eingezogen und neue Leitungen verlegt.

Wasserturm in Cuxhaven: Wunsch nach Hilfe

Eigentlich wollte das Schweizer Ehepaar ihr Café und die Ferienwohnung im Wasserturm von Cuxhaven bereits eröffnen. Doch ...

Für Holzfenster 60.000 Euro mehr als für Kunststofffenster bezahlt

Weil die Denkmalschutzbehörde Bausünden der Vergangenheit heilen wollte, haben die Bauherren Kunststofffenster durch Holzfenster ersetzt. Keines davon gleiche dem anderen, sagt Caboussat mit Blick auf den nach oben schmaler werdenden Turm. „Pro Fenster haben wir 3.500 Euro bezahlt.“ Insgesamt hätten die Holzfenster 60.000 Euro mehr verschlungen als neue Kunststofffenster.

Cuxhaven Wasserturm Schweizer Mirabelle und Alain Caboussat

Mirabelle und Alain Caboussat haben alles exakt durchgeplant - auch den Tresen im Café. Leuchten und eine Kaffeemaschine sollen in Kürze montiert werden. Foto: Heike Leuschner

„So gut es möglich ist, haben wir alles erhalten“, sagt Alain Caboussat. Auch die beiden schwarzen Druckrohre im Flurbereich, die vom Kessel bis unter die Erde führen. Die Bauherren haben sie verfüllen lassen, Brandschutzmanschetten angelegt, jede Zwischendecke brandschutztechnisch voneinander entkoppelt.

Brandschutzanstrich für zwei Rohre soll 19.500 Euro kosten

Jetzt müssen die Rohre noch von außen einen Brandschutzanstrich erhalten. „Wir haben ein Angebot von 19.500 Euro erhalten - für zwei 36 Meter lange Rohre“, berichtet der Bauherr.

Cuxhaven Wasserturm Schweizer Mirabelle und Alain Caboussat

Die alten Fallrohre, die vom Wasserbehälter bis in den Boden führen, wollen die Caboussats auf jeden Fall erhalten. Das Problem: Der zweifache Feuerschutz-Anstrich soll 19.500 Euro kosten. Foto: Heike Leuschner

Um Geld zu sparen, dachten die Turmeigentümer, könnte ein zertifizierter Malerbetrieb die spezielle Farbe kaufen und die Rohre streichen. „Nicht möglich“, berichtet Mirabelle Caboussat, „die Arbeit muss ein Handwerker machen, der diese Zertifizierung als Maler für Brandschutz explizit nachweisen kann.“

Keine Fördermittel für die Sanierer des denkmalgeschützten Turms

Die Innentüren haben die Bauherren „für 6.000 Euro das Stück“ nachbauen lassen. Eigentlich wollten sie die Originaltüren brandschutztechnisch ertüchtigen lassen. Aber das sei nicht möglich gewesen, sagt Alain Caboussat. Ob sie Aussichten auf Fördermittel für Denkmalpflege haben? „Keine Chance“, sagt Alain Caboussat, „weil wir nicht die Originaltüren benutzen.“

Cuxhaven Wasserturm Schweizer Mirabelle und Alain Caboussat

Wie fast alle Einrichtungsgegenstände ist auch dieser Küchenschrank eine Maßanfertigung, damit er sich an die konisch verlaufenden Turmwände anschmiegt. Foto: Heike Leuschner

„Wir haben uns das anders gedacht“, resümiert das Paar. Aber weder vom Bund noch vom Land oder der Stadt habe es Unterstützung gegeben. Ähnlich wie bei anderen großen Bauprojekten, die nicht nur den privaten Eigentümern, sondern dem öffentlichen Interesse nützen, haben die Caboussats versucht, einen kleinen Teil ihrer Investitionen über den symbolischen Verkauf von Fenstern und Steinen an Bürger oder Firmen zu erhalten.

Cuxhaven Wasserturm Schweizer Mirabelle und Alain Caboussat

Von der offenen Küche geht es in den Wohnbereich. Auf der rechten Seite - hinter dem Durchgang - geht’s in Schlafzimmer. Foto: Heike Leuschner

Unterstützung sei vor allem aus der Schweiz gekommen. Dort sind die Caboussats mit ihrem Cuxhavener Wasserturm fast schon prominent. Grund ist das Schweizer TV-Format „Auf und Davon“, das Auswanderer begleitet. Dabei hätten sie sich mehr Unterstützung aus Cuxhaven erhofft. „Die Cuxhavener sprechen immer von ihrem Turm“, sagt Alain Caboussat. Aber kaum einer sei bereit, mitzuhelfen, um das Denkmal zu erhalten.

Hämische Kommentare nach Crowdfunding-Aufruf

Vor drei Wochen haben die Caboussats eine Crowdfunding-Initiative für den Endspurt im Umbau des Wasserturms gestartet. Dabei werden über spezielle Crowdfunding-Plattformen Vorhaben präsentiert und (finanzielle) Unterstützer gesucht. Mirabelle Caboussat holt ihr Handy aus der Tasche und zeigt einen hämischen Kommentar zu ihrer Aktion. Sie ärgert sich, denn bei ihrem Projekt gehe es um mehr als nur das private Interesse, mit dem Turm nach hohen Investitionen endlich auch Geld zu verdienen. „Unser Ziel ist es, ein historisches Bauwerk für die Nachwelt zu erhalten.“

Cuxhaven Wasserturm Schweizer Mirabelle und Alain Caboussat

Über dem Eingang zu dem 126 Jahre alten Wasserturm an der Bahnhofstraße 11 in Cuxhaven weht - passend zu den Eigentümern - eine Schweizer Flagge. Foto: Heike Leuschner

Der Wasserturm

Ausgangspunkt für den Bau des Cuxhavener Wasserturms war eine Cholera-Epidemie 1892 in Hamburg. Diese Epidemie reichte zwar nicht bis Cuxhaven. Dennoch waren die Verantwortlichen des damaligen Amtes Ritzebüttel gewarnt.Die Hamburger Bürgerschaft beschloss, eine zentrale Wasserversorgung aufzubauen, um die auftretenden Infektionskrankheiten zu vermeiden. Davon sollte auch das von Hamburg mitverwaltete Amt Ritzebüttel profitieren. Außerdem wurde für die Trinkwasserbetankung der Schiffe viel Wasser benötigt. Nach zweijähriger Bauzeit wurde der 48 Meter hohe Turm am 6. Juli 1897 feierlich enthüllt. Drinnen befinden sich neben den technischen Anlagen auch vier runde Wohnungen (40 bis 55 Quadratmeter). Sie wurden von Betriebsangehörigen des Versorgungsunternehmens bewohnt. Seit 2004 ist der Wasserturm außer Betrieb. 2007 kaufte ein Österreicher den Turm, um dort einen „GentlemanClub“ nach englischem Vorbild einzurichten. Das Projekt scheiterte. 2017 erwarben Mirabelle und Alain Caboussat aus der Schweiz den Turm. Im Spätsommer 2023 wollen sie darin ein Café und Ferienwohnungen eröffnen. Im Wasserturmkopf wollen sie Führungen anbieten.

„Die Leute denken, du bist Schweizer und hast per se immer Geld. Doch die Realität ist anders“, räumt Alain Caboussat mit einem verbreiteten Klischee auf. „Wir haben alles, was wir haben, in dieses Projekt gesteckt und noch mehr“, ergänzt seine Frau. Jetzt drohe ihnen das Geld auszugehen. „Nicht weil wir schlecht kalkuliert haben, sondern weil die Kosten in einem nicht vorhersehbaren Umfang gestiegen sind.“

„Der Café-Betrieb ist fast wie Urlaub für uns“

Für ihren Traum vom sanierten Wasserturm arbeiten die Caboussats. Sieben Tage in der Woche. Und noch mehr, seitdem ihre beiden Söhne vor einem Jahr in die Schweiz zurückgezogen sind. Montags bis freitags ist das Paar mit der Baustelle im Turm beschäftigt, und an den Wochenenden servieren sie gemeinsam Kaffeespezialitäten und Kuchen auf der Café-Terrasse vor dem Turm. „Der Café-Betrieb macht viel Spaß“, sagt Mirabelle Caboussat, „das ist fast wie Urlaub für uns.“

Alain Caboussat hofft, dass er und seine Frau mit ihrem Ferienbetrieb im Turm Mitte August endlich starten können. „Vorausgesetzt, wir finden bis dahin eine Heizungsfirma, die uns unsere Heizkörper installiert.“

Heike Leuschner

Reporterin

Heike Leuschner hat sich nach einem Jura-Studium für die journalistische Laufbahn entschieden. Seit 2010 ist sie als Redakteurin in der Lokalredaktion der NORDSEE-ZEITUNG beschäftigt. Privat sieht man sie oft mit Kamera – oder gar nicht. Dann ist sie auf Reisen.

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